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„Ach, der Conny!“

Der Gott der guten Loipe

Conny Gröbler spurt die Loipen im Feldberggebiet. Bis zu 120 Kilometer kommen an manchen Tagen zusammen. Conny liebt den verschneiten Bergwald und seinen Job als Loipenfahrer – auch wenn die Arbeit manchmal knüppelhart ist.

von  Patrick Kunkel , 04. März 2014
  

Conny Gröbler ist Gott. Natürlich nicht wirklich. Aber Hochschwarzwälder Langläufer würden das sicher so sehen. So wie einst glühende Fans von Eric Clapton die Worte „Clapton is God“ an die Wände von Londoner U-Bahn-Stationen schrieben, um dessen virtuoses Gitarrenspiel zu ehren, bekommen eingefleischte Langläufer, die auf den Loipen zwischen Notschrei und Hinterzarten zu Hause sind, leuchtende Augen, sobald das Thema auf Conny Gröblers Loipenspurkünste fällt: „Ach, der Conny“, sagt einer Abends am warmen Ofen im Naturfreundehaus Feldberg: „Der weiß, worauf es bei einer guten Loipe ankommt.“ Winters spurt er im tief verschneiten Obergeschoss des Hochschwarzwalds, dem Feldberggebiet, die Pisten für Langläufer und Winterwanderer. Und offensichtlich macht seinen Job besonders gut, der Conny.

Gott wartet schon. Am frühen Sonntagmorgen auf dem Rinkenparkplatz, um halb acht Uhr. Er trägt Jeans, einen schwarzen Kapuzenpulli und Strickmütze. Dazu ein freundliches Lachen auf den Lippen: „Steig ein, ich bin der Conny.“ Der rote Loipenbully ruckelt los. Der Morgen dämmert, es schneit in leichten Flocken, Nebel wabert über den Wipfeln. Die Äste der Nadelbäume sind unter der Schneelast nach unten gebogen. Conny ist schon seit zwei Stunden im Feldberggebiet unterwegs. Zwischen fünfzig und hundertzwanzig Kilometer schafft er am Tag. „Kommt immer auf den Schnee an“, sagt er. „Bei Neuschnee fahren wir so früh, dass wir möglichst viel geschafft haben, ehe die ersten Läufer kommen.“

In der Nacht sind nur fünf Zentimeter Neuschnee gefallen, angekündigt war mehr. Ein ziemlicher Unterschied: „Wenn ein halber Meter runtergekommen ist, dann schwimmt man im Schnee. Es ist, als ob eine Welle vor dem Pistenbully herschwappt.“ Heute schwappt nichts, es rattert und es hoppelt. „Bei so wenig Schnee wie in diesem Winter, ist das normal. Da ist der Untergrund hart“, sagt Conny. Nichts mit Schweben.

Heute früh spurt Conny die Loipen am Osthang des Feldbergs zwischen Raimartihof und Rinken. Wer fünf Tonnen Stahl im winterlichen Bergwald bewegt, muss natürlich einiges von Wetter und Schneeverhältnissen verstehen. Conny ist ja nicht nur bei bei blauem Himmel und Pulverschnee auf flachen Loipen unterwegs, sondern bei fast jedem Wetter, bei allen Schneearten und in schwierigem Gelände. Dem Seesträssle etwa, einem geschützten und anspruchsvollen Verbindungsweg durch den Bannwald vom Caritashaus hinunter zum Rinken. Felsen ragen in den schmalen Weg, rechts geht es einen tiefen und steilen Abhang runter. An manchen Stellen des Weges ragen die Ketten des Pistenbullys über den Rand: „Vielen Beifahrern steht da erstmal der Angstschweiß auf der Stirn“, sagt Conny – doch wo anderen das Adrenalin in die Blutbahn schießt, ist das für ihn Routine.

Der schmale Waldweg vor uns windet sich zwischen tief verschneiten Bäumen. Eine dünne Schicht frischen Schnees bedeckt die Spur, Tiere haben darauf in der Nacht ihre Fährten hinterlassen, hier und da liegt ein Ast – doch der Bully wischt das alles weg und schafft eine perfekte Loipe: Links ein gewalzter Bereich für die Skater, auf der rechten Seite die zwei parallelen Furchen für die klassischen Langläufer.

Conny sagt, er kenne inzwischen „jeden Baum und jeden Stein mit Vornamen“. Seit 12 Jahren ist er Loipenfahrer am Feldberg, über 5500 Arbeitsstunden seien schon zusammengekommen: „Trotzdem genieße ich es immer noch, durch den Bergwald zu fahren. Auch wenn es ein knüppelharter Job ist.“ Manchmal reißen Lawinen den Weg mit sich und Conny muss es wieder richten. Hinten auf der Ladefläche hat er Schaufeln verstaut zum Schneeschippen und eine Motorsäge – wenn Tannen oder Fichten überm Weg liegen, räumt er diese beiseite: „Anfangs hatte ich keine Ahnung, dass solche Bäume auch unter Spannung stehen“, berichtet er. Er habe einfach losgelegt, der Stamm sei zurückgeschnellt: „Damals ist zum Glück nichts passiert und heute weiß ich es besser.“

Aber auch, wenn er oft zu Uhrzeiten arbeiten müsse, zu denen seine Freunde feiern oder noch im Bett liegen: „Die Stimmung am Morgen im verschneiten Wald. Das liebe ich.“ Die Fischlochloipe ist seine Lieblingsstrecke: „Da geht es immer schön hoch und runter, neben der Spur fließt der Bach. Das macht einfach Spaß.“

An manchen Tagen sitzt er zehn, zwölf Stunden im Loipenbully. Feierabend hat er danach mitnichten. Nach einer großen Runde über die Feldberger Loipen steht Conny in der Todtnauer Hütte hinterm Tresen, macht Holz oder transportiert Besucher in das Berggasthaus am Westhang des Feldbergs, das seiner Familie seit über zwanzig Jahren gehört. Ehe Conny vor 14 Jahren zurück in den Schwarzwald kam, arbeitete er als Hubschrauberpilot – in Kalifornien. Dort sammelte er Flugstunden über dem Pazifik. Der Gegensatz könnte kaum größer sein zwischen „Surfin' USA“, und Loipenfahrer im Schwarzwald: „Natürlich ist das eine andere Welt, aber hier fühle ich mich wohl und zu Hause.“

Am Naturfreundehaus stoppt Conny die Maschine. Drinnen gibt es heißen Kaffee und nette Worte vom Hüttenwirt – man kennt sich und schätzt sich in den Hütten rund um den Feldberg. Conny spurt ja nicht nur Loipen und Wanderwege, sondern räumt auch den anderen Hüttenwirten die Zufahrten zu ihren Häusern frei: „Wenn es viel Schnee hat, ist es schwer, mit dem Motorschlitten durchzukommen, die brauchen dann einen präparierten Weg“, sagt er, als wir die warme Stube wieder verlassen.

Einfach sieht es aus, was Conny da macht, ist es aber nicht: Denn während er den Bully über den Waldweg lenkt, drückt er zugleich Knöpfchen an seinem Joystick. Damit bedient er die Schneefräse vorne und die Spurplatte hinten: „Dabei muss ich auch immer den richtigen Anpressdruck im Blick haben und natürlich die Gegebenheiten des Geländes, damit am Ende des Loipenbild stimmt und die Spur auch lange hält.“ An steilen Abfahrten nimmt er die Parallelspur heraus: „Sodass die klassischen Läufer zum Bremsen aus der Spur rauskommen. Gerade Anfänger können das oft nicht so gut, da ist es schon hilfreich, wenn der Loipenfahrer mitdenkt. Sonst haut es an solchen Stellen einfach ganz viel hin.“

Früh am Morgen können Langläufer bereits im Internet den aktuellen Loipenbericht abrufen – auch das erledigt Conny nebenher in seinem Führerhaus. In sein Tablet-PC tippt er die Daten über Schneehöhe und Loipenzustand ein, die dann automatisch an verschiedene Loipenportale geschickt werden: „Früher hing ich frühmorgens viel mehr am Telefon und hab' den Mädels von den Touristeninfos den Loipenbericht durchgegeben. Die Zeiten ändern sich eben.“

Vor seiner Zeit als Loipenfahrer war er nordischer Kombinierer, also Langläufer und Skispringer: „Daher weiß ich schon, worauf es ankommt für die perfekte Spur“, sagt er, „und was Langläufern wichtig ist." Und sie danken es ihm. „Auf Deinen Spuren zu fahren, ist die wahre Freude“, schreibt einer im Onlinegästebuch seines Loipendienstes. Klingt fast wie ein Gebet.

Am Raimartihof verabschieden wir uns. Conny fährt weiter hoch Richtung Feldberg. Und ich zurück zum Rinkenparkplatz, auf Langlaufski. Denn was schöneres gibt es kaum: Morgens als Erster auf einer perfekt gespurten Loipe fahren. Ach, der Conny! Hat er wieder gut gemacht.

Über den Autor

Patrick Kunkel ist Reisejournalist aus Freiburg im Breisgau. Am liebsten erkundet er die Welt mit dem Fahrrad oder mit Wanderschuhen an den Füßen. Er lebt und arbeitet derzeit in Bilbao, Nordspanien und reist von dort regelmäßig in seine Lieblingsregion – den Schwarzwald. Folgen Sie Patrick auf Google+

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