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Roadtrip im Tiefschnee

Die Tanne, die Fichte, der Bruder und ich

Einmal durch den Hochschwarzwald, von West nach Ost: Moritz hat sich auf einen Roadtrip begeben. Auf allen Sorten Skiern, im Kanu, zu Fuß. Heute, erste Folge.

von  Moritz Baumstieger , 16. Mai 2013
  

Boah, pustet das. Unglaublich, was für ein Wind. Die Wolken sausen über den Himmel, fast so schnell wie ich eben den Hang hinauf. Die Berge am Horizont hingegen stehen still und starr. So wie ich jetzt. Fast angefroren, so kalt ist es. Und so wie das Gipfelkreuz: Ich stehe auf 1415 Metern, das Kreuz ist mindestens genau so hoch. Das größte, dass ich je auf einem Berg gesehen habe. Aber anscheinend gut verankert, trotz des Sturm wackelt es nicht einen Zentimeter. Qualitätsarbeit, wie es sich für den Schwarzwald gehört.

Das Gipfelkreuz auf dem zweithöchsten Schwarzwald-Berg, dem Herzogenhorn
© Moritz Baumstieger
Auf dem Gipfel vom Herzogenhorn im Schwarzwald
© Moritz Baumstieger
Wind und Minusgrade auf dem Schwarzwald-Berg Herzogenhorn
Das größte Gipfelkreuz des Hochschwarzwalds, trotz Wind kaum wackelnd. Ich hingegen zittere, es ist saukalt.  -  © Moritz Baumstieger

Im Westen grüßt das Elsass, salut! Im Süden die erhabenen Schweizer Alpen, von der Sonne ganz in leuchtendes Orange getaucht, Grüzi! Im Norden, da mantelt sich der Feldberg auf und im Osten, da liegt der Hochschwarzwald, tief in Schnee getaucht, mit gemütlichen Bauernhöfen bebaut und dicken, alten Tannen bewachsen. All das will ich jetzt einmal von West nach Ost durchqueren, eine Woche lang, auf Skiern, zu Fuß, im Kajak. Beim Langlauf und, ja, vielleicht auch manchmal ein Stückchen mit dem Auto. Im Sommer komme ich dann noch mal: Die Nord-Süd-Route muss auch noch erkundet werden. Auf der liegen die ganzen tollen Seen, und die machen eher im Juli Spaß.

Blick vom Herzogenhorn zum höchsten Berg im Schwarzwald, dem Feldberg
© Moritz Baumstieger
Alpen-Panorama vom Berg Herzogenhorn im Schwarzwald
Hallo Feldberg! Grüzi Schwyz!  -  © Moritz Baumstieger

Zwischen ein paar von den dicken, alten Tannen habe ich mich schon heute früh durchgeschlängelt. Meine erste Etappe auf der „Schwarzwald West hoch Ost“-Tour hat mich mit Tourenskiern auf das Herzogenhorn geführt. Erst ein Stück die Piste vom Feldbergpass aus hinauf, da standen noch Skifahrer und Snowboarder Spalier. Dann durch den Wald, einsam und ruhig, die Bäume mit einer Schicht aus Eiszucker überzogen. Das müssen sie sein, die berühmten Schwarzwald-Tannen, denke ich. Zumindest immer dann, wenn mein Blutkreislauf dem Gehirn genug Sauerstoff zuteilt, so dass Denken möglich ist. „Oder sind das Fichten?“, frage ich mich, als wieder eine Portion Sauerstoff im Kopf ankommt. Am besten soll man das ja an den Nadeln unterscheiden können, bei dem einem Baum sind die rund um den Ast angeordnet, wie bei einer Flaschenbürste. Bei dem anderen wachsen die Nadeln nur links und rechts vom Ast. Nur: Welcher war welcher? Vorerst ist das Problem nicht zu lösen. Als ich auf dem Gipfel des Herzogenhorns ankomme, bin ich dort ganz alleine. Außer mir sind nur die schöne Aussicht und der Wind da. Weder die eine, noch der andere möchte sich zur Schwarzwald-Flora äußern.

Schwarzwald-Tannen am Herzogenhorn
Schwarzwald-Tannen? Schwarzwald-Fichten? Das in der Mitte ist ein Laubbaum, das weiß sogar ich.  -  © Moritz Baumstieger

Deshalb: Noch ein paar Bäume aus der Nähe anschauen. Von hier oben sehe ich die Krunkelbachhütte, die allein schon wegen ihres schönen Namens besucht werden muss. Sie liegt zwar nicht wirklich auf meiner West-Ost-Route, aber bevor ich die Durchquerung angehe, wäre ein wenig Stärkung angebracht. Also Felle von den Skiern abgezogen, die Bindung auf Abfahrt gestellt und rein in den Schnee. Die ersten Schwünge im Schwarzwald-Pulver geraten ganz gut, nur bald merke ich, dass es ratsam ist, nicht ständig an den Horizont zu gaffen, wo die Schweizer Berge gerade vom hell- ins dunkelorange wechseln. Weil: Zäune können Skifahrern auch gefährlich werden, wenn nur die Pfosten stehen.

Touren-Ski Abfahrt im Pulverschnee am Herzogenhorn im Schwarzwald
Tipptopp Spur. Meine natürlich.  -  © Moritz Baumstieger

Die Bäume im Wald sind leichter als Hindernisse erkennbar. Und netterweise stehen sie schön weit auseinander, so dass sie sich prima als Slalomstangen eignen. Gute Tannen. Oder Fichten? Egal.

„Bischt du ein Bruder vom Markus?“, fragt die Wirtin, als ich nach ein paar Metern Gegenanstieg an einem Tisch in der Krunkelbachhütte Platz nehme.

„Nein, bin ich nicht“, sage ich. „Aber ich würd gern was essen.“

„Hm. Bisch sicher?“, fragt die Wirtin noch einmal.

„Ja“, sage ich.

„Komisch“, sagt die Wirtin.

Ich bestelle ein paar Bauernbratwürste und auch einen Kaffee. Der Kaffee kommt gleich, die Bratwürste müssen erst gebraten werden. In der Zwischenzeit erklärt mir die Wirtin das mit den Schwarzwaldbäumen: Glatt, das ist Tanne, Flaschenbürste, das sind Fichten. Aha. Als die Würste fertig sind, bringt die Wirtin den Teller.

Und fragt: „Aber an Bruder hascht schon, oder?“

„Mhm, ja“, sage ich. Mehr geht nicht, dazu habe ich zu viel leckere Wurst im Mund.

„Hab ich´s doch gewusst“, sagt die Wirtin.

Über den Autor

Moritz Baumstieger, 30, ist gerne draußen – der Hochschwarzwald ist jedoch Neuland für ihn. Bisher zog es ihn eher in die Berge in der Nähe seiner Heimatstadt München oder gleich weiter weg. Wenn er mal in seinem Büro sitzt, schreibt er für die Süddeutsche Zeitung, NEON und den stern. Folgen Sie Moritz auf Google+

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