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Und beide haben ziemlich viel mit der Wahrheit zu tun.

Grafenhausen, zwei Frauen haben hier das sagen

Bei Grafenhausen und dem Rothäuser Land denkt man schnell an das beliebte Tannenzäpfle, das Bier aus der Staatsbrauerei Rothaus. Auf dem Etikett findet sich eine Frau, doch eine andere Lady ist genauso wichtig in Grafenhausen. Die trägt ein weißes Gewand. Und beide haben ziemlich viel mit der Wahrheit zu tun.

von  Ralf H. Dorweiler , Daniela Bianca Gierok , 12. August 2014
  

Was hat Grafenhausen mit Wilthen, der Stadt des Weinbrandes, oder Rogätz, der Gemeinde der Blütenkönigin gemein? Die Antwort lautet: eine Frau mit verbundenen Augen, dem Schwert in der rechten Hand und der Waage in der linken. Alleine diese Beschreibung genügt, um jeden an „Justitia“ denken zu lassen, an die Verkörperung der Gerechtigkeit. Alle drei Orte führen sie in ihrem Wappen. Die Lady soll zeigen, dass das Recht ohne Ansehen der Person - darum die Augenbinde - nach Abwägung der Sachlage gesprochen und schließlich mit der nötigen Härte und im Fall des Falls gar dem Richtschwert durchgesetzt wird.

Während die Justitia bei den anderen Orten nur Detail des Wappens ist, stellt sie in Grafenhausen das alleinige heraldische Symbol dar. Auf blauem Untergrund scheint sie zu schweben. Die Erklärung für ihre Präsenz ist einfach: Grafenhausen war früher ein Ort der Gerichtsbarkeit. Als historischer Hintergrund für dieses Motiv wird eine möglicherweise einst im Gewann Galgenbuck befindliche Richtstätte vermutet.

Die Justitia kommt eigentlich aus der römischen Mythologie. Ebenfalls römisch ist eine Weisheit, die auch direkt mit der Wahrheitsfindung zu tun hat: „In vino veritas“. Oder auf Deutsch: Im Wein liegt die Wahrheit.

Die zweite für Grafenhausen besonders wichtige Lady hat zwar nichts mit Wein zu tun, dafür müsste nach diesem Spruch ziemlich viel Wahrheit herrschen, wenn man sie gesehen hat. Die warmherzig lächelnde Blondine serviert nämlich zwei kühle Blonde. Zu sehen ist das Trachtenmädchen auf dem Etikett des Rothaus-Biers. Im Rahmen eines Wettbewerbs hat sie einen Namen bekommen, der den alemannischen Humor als hintergründig und doppeldeutig entlarvt. Mit ganzem Namen heißt die Gute nämlich „Biergit Kraft“.

Grafenhausen ist nicht nur Zentrum des südbadischen Biergenusses, sondern auch reich an Waldflächen. 360 Hektar davon allerdings werden von einem Förster bewirtschaftet, den der Kanton Schaffhausen bestellt und zahlt. Grund ist, dass Grafenhausen nach der Reformation zu Schaffhausen gehörte und 1530 wieder zurück zu Landgrafschaft Stühlingen getauscht wurde. Offenbar hatten Justitias Helfer bei der ganzen Tauscherei die 360 Hektar Wald auf deutscher Seite übersehen - oder sich zu ausgiebig mit Biergit Kraft unterhalten. Die Waldfläche blieb jedenfalls in Schweizer Besitz und gehört den Eidgenossen bis heute.

Gut zu wissen

Anfahrt:

Zwischen Schluchsee und Bonndorf verläuft die L170. Etwa in deren Mitte gibt es einen großen Kreisverkehr, von dem eine Ausfahrt einzig und allein zur Staatsbrauerei führt. In die entgegengesetzte Richtung gelangt man nach wenigen Kilometern in den eigentlichen Ort Grafenhausen.

Apropos übersehen: Nicht übersehen sollten Sie bei einem Besuch in Grafenhausen das Heimatmuseum Hüsli. Erinnern Sie sich noch an die Schwarzwaldklinik? Das originale Schwarzwaldhaus war in den 80er Jahren Drehort und stellt Professor Brinkmanns Wohnhaus dar. Wenn Sie aber das Gebäude der Klinik sehen wollen, müssen Sie noch ein gutes Stück fahren: Der Carlsbau steht im Glottertal, bietet aber heute deutlich weniger zu bewundern als das sehr reizvolle Hüsli, dessen Besuch man mit einem Bier in der benachbarten Brauerei noch krönen kann.

Wenn Sie im Mai in Grafenhausen sind, dann schauen Sie doch auch mal auf dem Rathausplatz beim traditionellen Maibaum genauer hin. Der zeigt nämlich unter der Justitia die Wappen der verschiedenen Gewerbe. Das Wappen der Automechaniker haben Sie sicher noch nicht allzu oft gesehen ...
 

Über die Autoren

Ralf H. Dorweiler, geboren 1973 in Nastätten im Taunus, wuchs in der Nähe der Loreley auf und studierte in Köln Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Seit acht Jahren lebt er mit seiner Familie und dem "echten" Basset Dr. Watson im Südschwarzwald. Er arbeitet als Redakteur für eine badische Tageszeitung und schreibt Kriminalromane. Folgen Sie Ralf auf Google+

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Daniela Bianca Gierok (Texte) wurde 1973 im Ruhrgebiet geboren, wo sie schon früh erste journalistische Erfahrungen für die WAZ machte. Statt in die Redaktion zog es sie aber zuerst nach Köln, wo sie zuerst Jazz- und  dann Operngesang studierte. Eine Anstellung an der Basler Oper führte die Diplom-Sängerin in den Schwarzwald – der zur geliebten Heimat geworden ist. Folgen Sie Daniela auf Google+

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