language
 

Wintercamping mit der mobilen Skihütte

Warmduscher im Tiefschnee

Wohnmobil? Wie spießig! Laubenpieper auf Rädern! Dachte Patrick bis vor kurzem. Bis er mit dem Reisemobil zu einem Roadtrip durch den verschneiten Hochschwarzwald aufbrach

von  Patrick Kunkel , 06. März 2014
  


Ein lautes Scharren. Dann rutscht etwas übers Dach. Und wieder tiefe Ruhe, so als wäre alles in Watte gepackt. Doch jetzt bin ich wach. Eine Dachlawine im Wohnmobil weckt gründlicher als jede Kuckucksuhr! Ich parke am Rinken, ein Stück unterhalb des Feldberggipfels. Draußen dämmert es und durchs Dachfenster sehe ich die schwarzen Silhouetten der Tannen ringsum. Also raus aus dem Bett, rein in die Langlaufklamotten. Schuhe an, Tür auf, Ski und Stöcke geschnappt. Ein Traum: Gleiten durch die Morgendämmerung, auf einer Loipe, die frisch gespurt ist und unberührt.

Ehe die ersten Tagesausflügler am Rinkenparkplatz ankommen, Ski oder Schneeschuhe anschnallen und im Wald verschwinden, sitze ich längst wieder drinnen im Warmen und trinke einen frisch gebrühten Kaffee. War doch eine gute Idee, denke ich, die Sache mit dem Wintercamping.

Voriges Jahr war ich zum ersten Mal in meinem Leben mit einem Wohnmobil unterwegs. In einer 25 Jahre alten Kiste durch Spanien mit Kind und Kegel. Sonne, Meer, draußen sein! Uns hat das Prinzip gefallen, mit mobiler Küche und Schlafgelegenheit von einem faszinierenden Ort zum nächsten zu gondeln. Morgens rauscht das Meer, am Abend die Pinien im mediterranen Bergwald. Aber im Winter? Im Hochschwarzwald? Geht das denn? Bei Dauerfrost, Glatteis und Tiefschnee?

Es klappt bestens! Tag 1 meines Experiments: Im Kehler Servicecenter von Bürstner hole ich mein Wohnmobil ab. Ein kleines, wendiges Modell, nagelneu und vor allem wintertauglich. „Wenn sie normal heizen, dürften die Gasflaschen sechs Tage halten“, sagt Winfried Leupheulz von Bürstner bei der Übergabe des Wagens. Beruhigend. Unter der Decke hängt ein herunterklappbares Bett, es gibt einen Kühlschrank, einen Herd, Spüle und eine Dusche. Die Schränke sind geräumig, im Eck hängt ein Flachbildschirm, aber wer braucht den schon, wo der schönste Film doch draußen läuft?

Alles duftet neu. Bloß vom Winter ist unten in der Rheinebene noch keine Spur. Auch nicht im Glottertal, wo fahlgelbe Wiesen an den Bergflanken hängen. In jeder Kurve klappern die Tassen im Einbauschrank. Erste Schneereste tauchen auf und die Straße schraubt sich weiter hinauf Richtung St. Peter. Drinnen poltert mein Rollkoffer durchs mobile Wohnzimmer. Und auf der Hochebene dann endlich: Weiße Winterwelt!

Hinterzarten liegt zwischen weiß gepuderten Wäldern. Den Koffer habe ich inzwischen richtig verpackt und am Bahnhof lade ich Sven ein. Praktischerweise passen in die Duschkabine alle unsere Ski, Wanderschuhe und Schneeschuhe. Mittags laufen wir um den verschneiten Schluchsee und am Abend parken wir am Äulemer Kreuz, einem Parkplatz mitten im Wald, etwas abgelegen zwar, aber mit Loipe und Fernsicht. Im Dämmerlicht laufen wir auf Ski zum Zweiseenblick und zum Caritashaus am Feldberg – und kehren gerade noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit zurück.

Doch anstatt in den verschwitzten Klamotten jetzt eine Dreiviertelstunde lang nach Hause zu fahren, flözen wir nun rund um den Tisch im Reisemobil. Die Gasheizung bullert auf Hochtouren und verbreitet wohlige Wärme. In der Pfanne auf dem Gasherd brutzeln Pilze, die wir allerdings im Edeka in Schluchsee und nicht im Wald gesammelt haben. Da liegt ja Schnee.
Draußen kriecht der Frost unter den Wagen. Drinnen habe ich die Dusche frei geräumt und finde es erst absurd, mich mitten im Wald in einer engen, mit Plastik ausgekleideten Kabine heiß zu duschen – und dann ziemlich angenehm. Wer behauptet, Wintercamping sei nichts für Warmduscher, der liegt definitiv daneben!

„Wintercamper sind Genießercamper“, sagt am nächsten Vormittag Theodora Bubanj vom Campinplatz Schluchsee, wo wir für eine Nacht einchecken. „Im Winter kommen immer mehr Camper, die hier ein paar Wochen verbringen, aber natürlich ist es viel ruhiger, als im Sommer.“

Ganz ruhig liegt er da, der Schluchsee, umstanden von bewaldeten Bergen. Der Morgennebel hat sich verzogen und auf den Terrassen des Campingplatzes steht eine Handvoll Wohnmobile mit Blick aufs Wasser. Wir suchen uns einen schönen Platz, schließen das Reisemobil ans Stromnetz an und steigen dann in einen Elektro-Smart um. Den kann man als Camper am Schluchsee kostenlos für einen halben Tag buchen, um damit beispielsweise ins nahe Skigebiet am Feldberg zu fahren – zwei paar Langlaufski passen da auch rein und wir drehen kurz darauf beglückt eine Runde zwischen Felbergpass, Feldsee und dem Raimartihof.

Zurück auf dem Campingplatz steht da ein netter Kerl Mitte 40, drahtiger Typ, in der einen Hand eine Bierdose, in der anderen die Schneeschippe: „Ich komme gerade von der Skipiste auf dem Feldberg“, erzählt er, während er den Schnee vor seinem Wohnmobil wegfegt: „Die Liftkarte bekommt man ja hier gratis zur Übernachtung dazu. Warum sollte ich da noch in die Alpen fahren.“ Im Winter miete er den Stellplatz gleich für drei Monate an, sagt der Mann, und dann verbringe er die langen Wochenende und die Ferientage mit Frau und den beiden Söhnen auf dem Campingplatz:

„Hier habe ich alles: Ruhe, die Leute sind sehr lieb und fahren eine andere Drehzahl als bei uns in Stuttgart. Tagsüber bin ich mit der Familie auf der Skipiste und Abends kann man hier enorm entspannen.“ Die nassen Skiklamotten können die Wintercamper auf dem Campingplatz Schluchsee im neu eingerichteten Trockenraum trocknen. Die Duschen haben Fußbodenheizung und es gibt eine große Küche. Ein Pärchen aus Norddeutschland verbringt seit fast 30 Jahren eisige Winterwochen am Schluchsee. „Morgens spazieren, Mittags im Liegestuhl in der Sonne sitzen. Perfekt!“

Während sich die typischen Wintercamper meist für ein paar Wochen einrichten, zieht es uns in unserer mobilen Skihütte am nächsten Morgen weiter. Sven steigt am Bahnhof in Hinterzarten wieder aus und ich fahre zum unter Wohnmobilisten legendären Stellplatz in Eisenbach – hinter mir eine lange Autoschlange, aber das gehört ja dazu, zum richtigen Wohnmobilfahren!

Auf dem Eisenbacher Höchstberg ist Platz für 20 Wohnmobile, die Loipe beginnt hier und Alpensicht hat man auch – theoretisch jedenfalls. Praktisch stehe ich direkt und sehr idyllisch am Waldrand, aber leider mitten im Nebel. Keine Alpensicht, dafür gibt es aber ein Gasthaus: Hellas! Griechische Küche im Schwarzwald, das hatte ich nicht erwartet. Das Hacksteak heißt Bifteki und der Salat ist gemischt. Die Wirtin Antola lebt mit ihrem Mann seit 13 Jahren in Eisenbach. Am Tresen sitzen ein paar lustige Jungs aus dem Dorf, mit denen man schnell ins Gespräch kommt.

Auf dem Kandel am nächsten Tag ist es genau anders herum. Am Tresen sitzt keiner, weil der Kandelwirt um 18 Uhr dicht macht. Dafür gibt es Alpensicht und einen schönen Blick von oben auf das Nebelmeer unten! Andreas ist extra aus dem Tal hinaufgekommen, um das zu sehen. Und natürlich wegen des Wohnmobils. Auf Schneeschuhen schlurfen wir ein paar Kilometer durch den Bergwald, dann versinkt die Sonne rot glühend im Westen.

Im Winter eine Nacht auf dem Kandelgipfel verbringen, das wollte ich schon lange mal machen! Der Wind rüttelt am Wohnmobil und pfeift um die Außenwände. Der Himmel sternenklar. Unten leuchten Waldkirch, Suggental, Bucholz und wie die Orte da unten, fast tausend Meter tiefer, alle heißen mögen. Die Gasflaschen haben durchgehalten! Fühlt sich gut an, hier im Wohnmobil. Wo man drinnen ist und trotzdem draußen.

Gut zu wissen

Wohnmobilstellplätze:

Wohnmobilstellplatz Eisenbach

Camping Schluchsee

Freies Parken: In Deutschland ist das Übernachten in Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen und Parkplätzen nur dann zulässig („Gemeingebrauch“), wenn es zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit notwendig ist. Dies gilt auch für Wohnmobile.Sprich: Das Ruhen und Übernachten im Wohnmobil ist erlaubter Gemeingebrauch, darüber hinaus aber genehmigungspflichtige Sondernutzung. Aufbau von Stühlen und Tischen, Grillen oder das Ausfahren der Markise gelten bereits als unerlaubtes Campen. Selbstverständlich müssen örtliche Parkvorschriften beachtet werden. Mehrfaches Übernachten an einem Ort ist kein Gemeingebrauch, sondern Sondernutzung und bedarf einer ausdrücklichen Genehmigung („Stellplätze“).

Über den Autor

Patrick Kunkel ist Reisejournalist aus Freiburg im Breisgau. Am liebsten erkundet er die Welt mit dem Fahrrad oder mit Wanderschuhen an den Füßen. Er lebt und arbeitet derzeit in Bilbao, Nordspanien und reist von dort regelmäßig in seine Lieblingsregion – den Schwarzwald. Folgen Sie Patrick auf Google+

alle Reiseberichte des Autors
Was Sie auch interessieren könnte...
Top 5  
Was Sie unbedingt lesen sollten
Top 5  
Meist kommentiert
Top 5  

In diesem Artikel erwähnt

Eisenbach

Eisenbach

Die Gemeinde im Schwarzwald verdankt ihren Namen dem Abbau von Brauneisenstein, der hier bis 1942 fast 500 Jahre lang betrieben wurde. Heute ist Eisenbach aber vor allem bei Uhrenliebhabern, Bogenschützen und Wintersport-Nostalgikern beliebt.

Schluchsee

Schluchsee

Der heilklimatische Kurort Schluchsee liegt am gleichnamigen See inmitten des Schwarzwaldes zwischen 930 und 1300 Meter. Der größte See im Schwarzwald ist zugleich das Wassersportzentrum im Schwarzwald und seit Jahren einer der saubersten Badeseen in Deutschland.