language
 

Kim Schimpfle schneidert Schwarzwald nach Maß

"Der Hirsch darf nicht auf dem Busen kleben“

Da hängt er an der dunkelgrünen Wand. Ganz in weiß. Könnte aus Gips sein oder aus Plastik. Woanders wäre dieser Hirschkopf unglaublich deplaziert und kitschig. Im Freiburger Modeatelier „Schwarzwald Couture“ ist die Skulptur mit dem Geweih Blickfang und Statement zugleich. So wie die Schwarzwald-Mode von Kim Schimpfle.

von  Birgit-Cathrin Duval , 23. April 2014
  

Schräg, schrill und selbstbewusst sind sie, die Schwarzwald-Dirndln, die Kim Schimpfle in ihrem Atelier entwirft. Heimat, Tradition, Landschaft. Kim Schimpfle schneidert den Schwarzwald nach Maß. Mit Klischees aus Bollenhut und Kuckucksuhr, Tannenwald und Marien-Bilder, die sie kokett und pfiffig neu interpretiert. Was dabei herauskommt ist Stilbruch par excellence: Schwarzwälder Heimatkitsch auf Pop und Punk. Und der wegen den betont weiblichen Schnitten unglaublich sexy daherkommt.  

Ihr Design bezeichnet sie als „Trachtenmode mit speziellem Schwarzwälder Einfluss“, sagt Kim Schimpfle. Die Form ist bewusst an das bayrische Dirndl angelehnt, denn „die Schwarzwälder Tracht ist sehr hoch geschlossen.“ Und das macht es schwierig, es an die Frau zu bringen, erklärt Kim Schimpfle. Ihre Mode, die sie zuvor unter einem anderen Label entwarf, war schon immer sehr weiblich und geprägt von Ethno, Punk und japanischem Design. Doch schließlich war es der Schwarzwald, der ihre Mode auf einen Nenner brachte und im Dirndl neu interpretiert wurde. Das Label „Schwarzwald-Couture“ war geboren.

Bei Kim Schimpfle erhalten die Kundinnen den Schwarzwald auf den Leib geschneidert. Seit zwei Jahren arbeitet die Designerin mit dem Fotograf Florian Richter zusammen. Die Aufnahmen von Tannenwäldern, Bergweiden und verschneiten Schwarzwaldgipfeln werden auf Stoffe gedruckt. Daraus entwirft Kim Schimpfle Modelle wie "Klusenwald“, das eine verschneite Winterlandschaft am Fahler Loch zeigt oder "Belchenblick“ auf dem die typischen Hochweiden und Tannenwälder zwischen Stübenwasen und Todtnau zu sehen sind. „Ein Dirndl, das als Design ein Motiv aus der Gegend zeigt, aus der man stammt, hat, das gab es einfach noch nicht.“

Schwarzwald so wie Kim Schimpfle ihn mag, ist jedoch fern von aller Postkartenidylle. „Natur pur, mystisch, nebelverhangen und geheimnisvoll. So mag die Freiburgerin den Schwarzwald am liebsten. „Jedes Bild erzählt eine eigene Geschichte.“ In diesem Jahr bringt Kim Schimpfle eine Kollektion mit Motiven aus alten Postkarten hervor. Bollenhüte, Sprüche wie „Schwarzwald oh Heimat wie bist du so schön“, alte Briefmarken, Hirschmotive und Kuckucksuhren finden sich auf den Trachten. Dafür wälzt sie alte Bücher, sucht in Archiven, sammelt alte Postkarten. Aus diesem Sammelsurium entstehen neue Interpretationen des Schwarzwalds. So wie die alte Maria-Betsäule, die sich auf dem Fuchspfad im Oberen Wiesental befindet, jetzt als Motiv das Dirndl „Maria“ ziert und das Kleid wie ein Kunstobjekt aussehen lässt. 

„Es braucht sehr lange, um ein Design zu entwickeln. Man macht nicht einfach nur einen schönen Stoff, man muss auch zum Schluss gucken, wo sitzt denn der Hirsch, nicht, dass der jetzt vielleicht auf dem Busen klebt“, erklärt Kim Schimpfle.

Ihr Atelier in der Hildastraße ist gleichzeitig Ausstellungsraum und Schneiderei. An ihrer Nähmaschine entstehen die Trachten, alles in Handarbeit. Gute Qualität ist ihr wichtig. Die Stoffe stammen von ausgesuchten Herstellern, ihre bunt bedruckten Tücher sind aus Biobaumwolle gewebt, Applikationen stickt sie selbst per Hand. Passend dazu gibt es von ihr entworfene Accessoires wie Taschen und Hüte.

Welche Kundschaft kauft ihre auffälligen Trachten und wo werden die Kleider getragen? „Wer sich in der Tracht wohlfühlt, findet auch die Gelegenheit, sie zu tragen“, kommt postwendend die Antwort von Kim Schimpfle. Ihre Kundinnen kommen aus allen Alterschichten. „Von 22 bis fas 80 Jahre.“ Darunter Kundinnen, die von weit her anreisen, um sich für Hochzeiten und andere Anlässe ein individuelles Trachtenkleid schneidern lassen. „Viele haben Lust auf Dirndl, wollen aber etwas, das nicht nach Bayern aussieht.“  Und so sind die Trachten von Schwarzwald-Couture mehr als eine moderne Version des Dirndls. Sie sind vor allem eines: Modische Statements selbstbewusster Frauen, die den Schwarzwald salonfähig machen.

Gut zu wissen

Schwarzwald-Couture, Kim Schimpfle, Hildastraße 62, 79102 Freiburg

Über den Autor

Birgit-Cathrin Duval ist am Rande des südlichen Schwarzwalds aufgewachsen. Nachdem sie die ferne Welt bereist hat, stellte sie fest: Der Schwarzwald ist alles – außer spießig. Die Reisejournalistin hat sich auf Kanada und den Schwarzwald spezialisiert und erkundet am liebsten neue Trails unter extremen Wetterbedingungen. Ihre Reportagen erscheinen regelmäßig in Tageszeitungen und im Outdoor Magazin. Folgen Sie Birgit-Cathrin auf Google+

alle Reiseberichte des Autors
Was Sie auch interessieren könnte...
Top 5  
Was Sie unbedingt lesen sollten
Top 5  
Meist kommentiert
Top 5