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Hochschwarzwälder Langlaufkunde, Teil IV: Skiwachs

Steigen oder Gleiten?

Öffnet der Profi seinen Skiwachskoffer, staunt der Laie nicht schlecht. Wie in einer Alchemistenküche geben sich da Tübchen, Flaschen, Schaber, Tücher und Pülverchen ein Stelldichein. Wer bitte soll da durchblicken? Aber die geheimnisvolle Aura der Wachstechniker darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Skiwachsen im Prinzip ganz einfach ist. Langlauf-Experte Gerd erklärt mir, wie es funktioniert.

von  Patrick Kunkel , 04. Dezember 2014
  
Langlauf Wachsen

Die Spannung macht's

Wieso gleitet ein Langlaufski eigentlich nach vorne und bremst nach hinten? Wer die Antwort auf diese Frage kennt, hat die wichtigste Hürde bereits genommen. „Legt man Skier mit den Unterseiten aufeinander, zeigt sich, dass Skier keine einfachen Bretter sind, sondern dass sie eine Wölbung mit einer gewissen Spannung aufweisen“, erklärt Gerd Süßbier, der am Naturfreundehaus Feldberg Langlaufkurse gibt und uns blutige Wachsski-Novizen auch in der richtigen Wachstechnik unterweist: „Steht der Langläufer auf beiden Skiern, ruht das Gewicht mehr oder weniger nur auf den Skienden, die Zone unter den Füßen schwebt über dem Schnee. Verlagert er dann sein ganzes Gewicht auf einen Ski, drückt er auch den mittleren Skibereich, die Steigzone, in den Schnee. Dann können sich die dortigen Schuppen im Schnee verhaken und geben den nötigen Halt für den Abdruck.“ Das gleiche, meint Gerd, passiere beim Wachsski, nur sorge das Steigwachs statt der Schuppen für den nötigen Griff: „Schneekristalle graben sich beim Abstoß in die Wachsschicht und lösen sich beim Vorwärtsgleiten wieder heraus. Der Ski gleitet und hält!“ Für gute Gleiteigenschaften empfehle es sich außerdem, die Gleitzonen regelmäßig mit Gleitwachs zu präparieren.

Schnee ist nicht gleich Schnee

Angeblich haben die Eskimos ein paar Dutzend Ausdrücke für die verschiedenen Schneearten und das ist auch angemessen. „Denn Schnee ist nicht gleich Schnee“, sagt Gerd: „Das ist für den Skifahrer deshalb bedeutsam, weil das Steigwachs zum Schnee passen muss. Ist das Wachs zu hart, können sich die Schneekristalle nicht in die Wachsschicht eingraben: Der Ski findet keinen Halt. Ist das Wachs zu weich, bleiben die Schneekristalle hängen: Es gibt Stollen. Um beides zu verhindern, gilt es das richtige Steigwachs zu wählen.“

Hartwachs und Klister

Ein genauer Blick auf die weiße Pracht zeigt, dass es kristallinen Schnee mit den schönen Sternen gibt (Neuschnee) und Schnee, der aus kleinen Eiskörnchen besteht (Altschnee) und der schon Auftau- und Gefriervorgänge hinter sich hat. Das macht die Sache etwas komlizierter: „Weil diese beiden Grundarten ganz andere Eigenschaften haben, gibt es auch zwei ganz verschiedenen Arten Steigwachs: Hartwachs für kristallinen Neuschnee und Klister für Altschnee“, sagt Gerd. „Weil die Schnee- oder Eisarten mit sinkender Temperatur immer härter werden, gibt es dann je für Klister und für Hartwachs rund ein halbes Dutzend unterschiedlicher Sorten von eiskalt bis warm. Mit rund 10 bis 15 Wachsen ist man also ausreichend gerüstet.“ Man müsse nur ermitteln ob der Schnee noch aus Kristallen besteht oder nicht und außerdem die Temperatur messen oder schätzen, meint Gerd. „Genauigkeit ist aber nur im Nullgradbereich und bei Neuschnee angesagt, weil sich dann die Schneebeschaffenheit schnell ändert und der Griff in die Wachskiste zu einem Lotteriespiel werden kann. Ob aber der Neuschnee minus 10 oder minus 15 Grad hat, ist ziemlich egal und ob es im März 5 oder 10 Grad plus hat, kümmert den Klister wenig.“

Hilfestellungen findet man im Internet oder in den Wachsfibeln verschiedener Wachshersteller. Und es ist keine Schande, Langlaufprofis um Rat zu fragen. Vielleicht ergeben sich wertvolle Einsichten oder einfach ein nettes Gespräch.

zu Teil III: Hochschwarzwälder Langlaufkunden – Die Stöcke

Über den Autor

Patrick Kunkel ist Reisejournalist aus Freiburg im Breisgau. Am liebsten erkundet er die Welt mit dem Fahrrad oder mit Wanderschuhen an den Füßen. Er lebt und arbeitet derzeit in Bilbao, Nordspanien und reist von dort regelmäßig in seine Lieblingsregion – den Schwarzwald. Folgen Sie Patrick auf Google+

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